Coopbund Alto Adige Südtirol: „Die Sozialgenossenschaften stecken in ernsten Schwierigkeiten. Wir ersuchen die Politik um Hilfe!“
Der Vertretungsverband richtet einen eindringlichen Appell an die Institutionen und stellt dabei eine bedeutungsvolle Frage: „Sind wir denn noch wichtig für unser Land“? Heute fühlen wir uns wie Akteure zweiter Klasse.“
Sozialgenossenschaften sind äußerst wichtige Organisationen: Sie sind im ganzen Land fest verwurzelt und erfüllen unentbehrliche gesellschaftliche Aufgaben. Man denke nur an die vielen Kinderkrippen, an die geschützten Werkstätten, die vielen Menschen mit Behinderung kostbare Chancen bieten, oder an die sozialen Genossenschaften zur Eingliederung in die Arbeitswelt, die sich um die Vermittlung von Arbeitsplätzen und um die entsprechende Schulung kümmern und damit Menschen dienen, die sonst aufgrund von Behinderungen oder schwerwiegenden Problemen nur schwer einer beruflichen Tätigkeit nachgehen könnten.
In den vergangenen Monaten hat das Genossenschaftswesen einen wichtigen Schritt gesetzt, indem ein territoriales Lohnelement eingeführt wurde, um den Beschäftigten in den Sozialgenossenschaften eine höhere Vergütung zu gewähren. Dies ist das Ergebnis einer Verhandlung auf lokaler Ebene mit den Gewerkschaften AGB, SGB, SGK und ASGB. Man wollte dadurch den zahlreichen Mitarbeitenden und den vielen Beschäftigten mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen entgegenkommen, die in Südtirol leben, wo die Lebenshaltungskosten bekanntermaßen hoch sind.
Im Bereich der Kinderbetreuung konnte die Politik zusätzliche Geldmittel auftreiben, um den Genossenschaften die Erhöhung der Gehälter der für die Kinderbetreuung zuständigen Personen zu ermöglichen. Leider ist dies in den anderen Bereichen der sozialen Kooperation bisher nicht geschehen: Hier hat eine Vielzahl von Genossenschaften angesichts exponentiell steigender Personalkosten mit erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, ohne bisher auf irgendwelche Unterstützung durch die Institutionen zählen zu können. Es handelt sich um für die Südtiroler Gesellschaft äußerst wichtige Strukturen, die sensible und anspruchsvolle Aufgaben im Bereich der Inklusion und der Integration erfüllen: Sie geben benachteiligten Personen die Möglichkeit, über die Arbeit ihre Situation zu verbessern, und erbringen gleichzeitig unverzichtbare Dienstleistungen für gefährdete Personen erbringen.
Es sind Genossenschaften, die im Bereich der Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und Bildungsdienstleistungen für Betagte, Kinder, behinderte Menschen sowie allgemein für Personen und Familien in Schwierigkeiten tätig sind; Genossenschaften, die sich für die berufliche Eingliederung benachteiligter Personen einsetzen, Konsortien und Versorgungsstrukturen.
Das Genossenschaftswesen hat wiederholt ein konkretes Engagement der Politik und der Institutionen gefordert, und zwar sowohl im Sinne einer wirtschaftlichen Unterstützung als auch im Hinblick auf regulatorische Maßnahmen, die eine Anpassung der Preise bei öffentlichen Ausschreibungen ermöglichen.
Diesbezüglich meint Monica Devilli, Vorsitzende von Coopbund Alto Adige Südtirol: „Coopbund, der Genossenschaftsverband, dem die Mehrheit der in unserem Land tätigen Sozialgenossenschaften angehört, vertritt seit nunmehr fast 50 Jahren die angeschlossenen Sozialgenossenschaften und unterstützt diese in ihren Projekten sowie in ihrer sozialen und unternehmerischen Entwicklung. In den vergangenen Monaten haben wir mehrmals versucht, die Politik für die kritische Situation unserer Sozialgenossenschaften zu sensibilisieren, doch leider haben wir bis dato keine Reaktion wahrgenommen. Die Politik darf nicht vergessen, dass die Sozialgenossenschaften heute die bedeutendsten Garanten für das Gemeinwohl und damit für eine lebenswerte Gegenwart und Zukunft unseres Landes absolut unverzichtbar sind.“
Von links nach rechts: Catia Scardabozzi (CGIL/AGB), Monica Devilli (Presidente Coopbund Alto Adige Südtirol), Claudio Alessandrini (SGB/CISL), Alex Baldo (Coopbund), Sabina Bonetalli (SGK/UIL)Eine Erhöhung der Löhne der im Bereich der sozialen Kooperation tätigen Arbeitskräfte würde den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen würdigeren Lebensstandard gewährleisten, was dafür spricht, unsere Sozialgenossenschaften tatkräftig zu unterstützten.
In diesem Sinne ist es unabdingbar, dass die Sozialgenossenschaften von den auftraggebenden Stellen eine Anpassung der laufenden Verträge an die gestiegenen Personalkosten erhalten und ihren Mitarbeitenden die entsprechende Zulage gewähren.
Bekanntlich erhalten viele Sozialgenossenschaften ihre Aufträge nämlich über Ausschreibungen, die ja sehr komplex in der Handhabung sind. Nicht selten geht der Zuschlag an Unternehmen, die keine Sozialgenossenschaften sind, nur weil das Kriterium des größten Abschlags angewandt wird, ohne die Qualität des geleisteten Dienstes zu berücksichtigen.
Im Bereich der Kindertagesstätten ist es sogar vorgekommen, dass einige Strukturen des Landes die Preise für die Dienstleistungen entgegen der vor mehreren Monaten von der Landesregierung ausgesprochenen Forderung bewusst nicht anpassen wollten.
Auch die Gewerkschaften stehen auf der Seite der Sozialgenossenschaften und ihrer Mitarbeitenden, die eine äußerst wichtige Rolle im sozialen Gefüge des Landes spielen und heute mehr denn je eine angemessene Unterstützung benötigen. Die getroffene Vereinbarung stellt einen wichtigen Schritt zur Gewährleistung einer angemessenen Entlohnung der in den Sozialgenossenschaften tätigen Personen dar, sie muss aber auch von der Politik und der öffentlichen Verwaltung anerkannt und unterstützt werden.
Pressespiegel:
Dolomiten -17.10.2023 – p.14
Salto.bz – 16.10.2023
Alto Adige – 16.10.2023
Alto_Adige-17.10.2023-23