Die Genossenschaft entdecken! Folge 4
Wie wir schon wissen, konzentrieren sich Genossenschaften nicht auf Gewinn. Dieser Umstand entspricht voll und ganz dem Grundsatz, den ich heute behandeln möchte: das spekulationsfreie Genossenschaftswesen.
Der Grundsatz an sich ist nicht schwer verständlich. Da wird lediglich bekräftigt, dass ein genossenschaftliches Unternehmen nicht dem Zweck dient, Gewinn unverhältnismäßig zu mehren.
Sieht nach einer Kleinigkeit aus, ich weiß. Bei genauerem Hinsehen entdecken wir aber, dass es sich um eine großartige Schutzfunktion für das Unternehmen und die Mitglieder handelt.
Als Unternehmer/in könnte ich durchaus beschließen, mein Unternehmen zu versorgen, zu nähren, zu hätscheln, zu höchstem Glanz zu bringen und es dann nach eigenem Ermessen an den/die Bestbietende/n zu verscherbeln, ohne mir zusätzliche Fragen stellen zu müssen. Auch der/die neue Eigentümer/in könnte nach eigenem Ermessen entscheiden, für das Unternehmen ebenso wie für die dort beschäftigten Arbeitskräfte. In beiden Fällen könnten die Arbeitnehmer/innen keinerlei Kontrolle ausüben.
Und ob es zu derartigen Situationen kommen kann, wirst du einwenden. Auf jeden Fall hängen Vorgehensweisen vom jeweiligen individuellen Gewissen ab. Du hast natürlich recht. Noch besser: was du dagegenhältst, gilt auch für Genossenschaften – im positiven Sinn.
Es ist auch gar nicht gesagt, dass jede einzelne Genossenschaft Grundsätze in Ehren hält, auch wenn sie gut sind.
Trotzdem: auch wenn bei einem Marathonlauf alle auf eigenen Beinen unterwegs sind … ist es nicht doch gescheiter, wenn sie es bei Rückenwind tun?
Also, warum sollten wir nicht einer Unternehmensform ihre Vorteile zuerkennen, die folgende Einschränkungen vorgibt?
- Es ist den Mitgliedern nicht möglich, das Vermögen unter sich aufzuteilen, falls die Genossenschaft aufgelöst wird.
- Es ist verboten, die Gesellschaft zu verkaufen.
- Gewinn muss verbindlich in die Entwicklung der Genossenschaft selbst investiert werden.
- Genau festgelegte Gewinnanteile sind in einen Fonds einzulegen, der Gründung und Entwicklung anderer Genossenschaften unterstützt (siehe vorhergehende Episode).
Dir erschließt sich noch kein übergreifender Schutz? Für das Individuum, das Unternehmen, das Umfeld, in dem beide leben?
Ist recht, da ja niemand an Gewinn interessiert ist, sind Genossenschaften grundsätzlich bettelarm!
Als Feinschmeckerin könnte ich mich mit Leidenschaft und Hingabe kulinarischen Künsten widmen und würde eines Tages vielleicht professionelles Niveau erreichen, was aber nicht heißt, dass ich mir jedes Mal, wenn ich mich an den Herd stelle, das Ziel stecke, Köchin zu werden.
Gleiches gilt auch für Genossenschaften. Obwohl sie nicht dem Ziel dienen, ihren Gewinn zu mehren, haben sie im Lauf der Zeit doch überaus respektablen Umsatz geschafft, in einigen Fällen sogar mehr als im selben Bereich tätigte gewinnorientierte Unternehmen. Grund dafür ist die Stabilität, die gerade die obenstehenden Regeln gewährleisten.
Dabei ist der Umstand noch gar nicht berücksichtigt, dass Genossenschaften je nach Tätigkeitsbereich sogar helfen, öffentliche Ausgaben im Rahmen zu halten. In Krisenzeiten wahren sie menschenwürdige und anständig entlohnte Arbeit für benachteiligte Menschen, die andernfalls dem Staat auf der Tasche liegen würden.
Doch davon können wir bei einer anderen Gelegenheit sprechen.
Danke dafür, mir auch heute Gesellschaft geleistet zu haben und bis zum nächsten Mal!