Raus aus dem Chaos
Wenn die Sinneseindrücke im Gehirn nicht richtig vonstatten gehen, verfällt der Alltag ins Chaos. Wie in der Sozialgenossenschaft Efeu in Brixen junge Menschen durch den Alltag begleitet werden
„Wenn wir gewusst hätten, welche Herausforderungen auf uns zukommen, vielleicht wären wir nie mit dem Projekt gestartet“, erzählt Maria Oberhofer. Zehn Jahre ist es her, dass sie zusammen mit anderen Eltern einen mutigen Schritt gewagt hat. Einen Schritt ins Ungewisse. Nach Schweizer Vorbild haben sie die Tagesstätte der Sozialgenossenschaft Efeu eröffnet. Eine Tagesstätte in Brixen, in der junge Menschen langsam riechen, spüren und tasten lernen. Junge Menschen, wie ihre Tochter Stephanie. Genauso wie die anderen sechs Jugendlichen der Efeu-Familie leidet sie an einer Wahrnehmungsstörung. Sprich: Sinne, die uns völlig normal erscheinen, funktionieren gar nicht oder nur eingeschränkt. Ein Junge aus ihrer Gruppe beschreibt es so: „Eine Wahrnehmungsstörung ist, wenn im Gehirn bestimmte Sachen durcheinander gehen und man kann es nicht wahrnehmen wie die anderen Leute.“ Damit bringt er das Krankheitsbild auf den Punkt: Laut Definition geht die Verarbeitung der Sinneseindrücke im Gehirn nicht richtig vonstatten. Die Wahrnehmung verfällt ins Chaos. Der Alltag wird zur großen Herausforderung. Zum Teil zur unüberwindbaren Herausforderung.
Stephanie ist mittlerweile 27 Jahre alt. Ein lustiges, schlaues Mädchen. Eine junge Frau mit einem starken Willen. Dem Willen, auszubrechen. Wegzukommen von ihren Fixierungen, zu entfliehen aus ihrem Gefängnis. Aus dieser, ihrer Welt, die von Ticks dominiert wird. „Im Moment ist sie auf Waschmaschinen fixiert, möchte am liebsten den ganzen Tag neben einer Waschmaschine verbringen“, so ihre Mutter Maria Oberhofer. Das Krankheitsbild könnte als Autismus-Spektrum-Störung beschrieben werden. Ganz genau weiß es aber auch die Mutter nicht. Sie will es auch gar nicht wissen. Eine genaue Diagnose verblende die Wirklichkeit. Auch deshalb hat sie sich dagegen immer gesträubt. „Bringt es uns etwas zu wissen, dass sie Autistin ist?“