Zeit verschenken – Wie Zeitbanken in Südtirol ticken
Eine neue Studie zu den Zeitbanken in Südtirol wurde heute (22. Dezember 2017) in Bozen vorgestellt. Diese Tauschsysteme könnten vor allem für junge Familien eine wertvolle Unterstützung sein. – Der Genossenschaftsverband Coopbund eröffnet neuen Informationsschalter zu den Zeitbanken.
Tauschsysteme, wie Zeitbanken, erfreuen sich in vielen Ländern der Welt immer größerer Beliebtheit. Die Zeit wird als eine Art Währung betrachtet. Man schenkt Zeit für andere, erledigt bestimmte Aufgaben für sie, und bekommt dafür ein Guthaben an Zeit, den man zu einem späteren Zeitpunkt einlösen kann. In Südtirol ist dieses Phänomen noch relativ jung. Obgleich es einige Schwachstellen aufweist, wie zum Beispiel die Versicherung der eingebrachten Zeit oder die mangelnde Vernetzung der bestehenden Initiativen, birgt dieses System auch hierzulande große Potentiale.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Sozialwirtschaftliche Potenziale der Zeitbanken in Südtirol“ wurden heute (22. Dezember 2017) vom Südtiroler Genossenschaftsverband Coopbund im neuen Coworking-Space HUBZ in Bozen vorgestellt. Die Studie der Genossenschaft für Forschung und soziale Innovation „Sophia“, welche von der Stiftung Südtiroler Sparkasse gefördert und von Coopbund im Auftrag gegeben wurde, erfasst Stärken, Schwächen und Potenziale der in Südtirol tätigen Zeitbanken. Dabei zeigt das Forschungsprojekt auch mögliche Zukunftsszenarien und Entwicklungspotenziale auf.
„In Südtirol gibt es rund 15 Zeitbanken, die auf Vereinsebene organisiert sind. Sie sind unabhängig voneinander entstanden und oft nur im jeweiligen Gemeindegebiet tätig“, erklärt der Vorsitzende von Coopbund Heini Grandi: „Ziel des Forschungsprojekts ist es, neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie diese Zeitbanken sich in Zukunft weiterentwickeln könnten. Durch die Zusammenarbeit und Fortentwicklung dieser Organisationen könnten neue Dynamiken zugunsten der gesamten Gemeinschaft entstehen“.
Wieso Familien zwar Hilfe bräuchten, das Angebot aber nicht nutzen
Vor allem für Familien könnten Zeitbanken eine nützliche Unterstützung sein. „Der verstärkte Druck in der Arbeitswelt, das erhöhte Vereinbarkeitsproblem von Frauen und Männern, sowie die Sorge und Pflege der eigenen Eltern bringt vermehrt Spannungen und Stresssituationen in die Südtiroler Familien“, so der Autor der Studie und Mitglied der Genossenschaft „Sophia“, Armin Bernhard: „Junge Familien benötigen Zeit, können aber seltener Zeit geben. Zeitbanken, welche ihre Tätigkeit auf einen regelmäßigen Austausch beschränken, erschweren die Beteiligung von Familien“.
Familien bräuchten vor allem eine größere Flexibilität in der Handhabung des Zeitkontos. Nur wenige nehmen deswegen die Dienstleistungen der Zeitbanken in Anspruch. Die meisten Zeitbanken in Südtirol machen nämlich die Erfahrung, dass sie weniger Nachfrage als Angebot haben. Es sind also vorrangig jene Personen Mitglied, welche etwas einbringen möchten.
Zeit schenken über Generationen hinweg
„Zeit schenken“ über Generationen hinweg, um in Zeiten der Bedürftigkeit Unterstützung zu bekommen und sie in anderen Zeiten zu geben, Versicherung der eingebrachten Zeit, Weitergabe von Stunden über Landesteile hinweg: Dies könnten laut des Forschungsprojekts von Coopbund mögliche Lösungsansätze sein, um die Bedürfnisse der verschiedenen Lebenslagen zusammenzubringen und die Arbeit der Zeitbanken einfacher zu gestalten. „Vor allem wäre eine landesweite Vernetzung der Zeitbanken sinnvoll. Dadurch könnte gewährleistet werden, dass bei Auflösung einer Zeitbank das angesparte Zeitguthaben nicht verloren geht“, betont der Autor der Studie Oscar Kiesswetter und weist auf weitere Handlungsoptionen hin: „Möglich wäre auch eine Kooperation mit anderen Initiativen der bargeldlosen Tauschwirtschaft. Mitglieder, welche Zeit einbringen, könnten dadurch anstatt Stundenguthaben vor Ort, Gutscheine mit landesweiter Anerkennung erhalten“.
Zeitbanken nutzen bürgerschaftliches Engagement zugunsten des Gemeinwohls und ermöglichen lokal-regionale Wertschöpfungsprozesse. Sie bauen auf Vertrauen, Solidarität und Gegenseitigkeit. Die Mitglieder ergreifen selbst die Initiative, um ohne öffentliche Fördermittel, Antworten auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu geben.
Der Informationsschalter zu den Zeitbanken
Auch in Südtirol birgt die Fortentwicklung und Konsolidierung der Zeitbanken großes Potential. Deswegen hat es sich Coopbund zum Ziel gesetzt, diese Initiativen in Zukunft noch stärker zu unterstützen. Mit der Einrichtung des neuen Informationsschalters zu den Zeitbanken wird der Genossenschaftsverband Gruppen und Vereinen, welche eine Zeitbank errichten möchten oder bereits führen, bei der Umsetzung ihrer Projekte beratend zur Seite stehen.
Für Informationen und kostenlose Beratungen:
Zeitbanken-Schalter Coopbund
Dr. Monica Devilli
E-Mail: monica.devilli@coopbund.coop
Tel. 0471 067100